Donnerstag, 31. Dezember 2009

Aufklärung

Na Bonjour allerseits und einen gemütlichen Jahreseinstand!

Es steht nunmehr in meiner Macht auch den letzten verbliebenen Lesern die Kunde zu überbringen, dass der sich selbst als "Landstreicher" hochstilisierende Verfasser längst wieder unter den (mehr oder weniger) Sesshaften und vor allem Beheimateten weilt. Soll heißen: Seit gut einer Woche bin ich zurück im [ergänze passendes Adjektiv] Wuppertal, zurück (fürs erste jedenfalls) in der elterlichen Heimstatt.
Was bleibt sind Vorwürfe von langweiligen Daheimgebliebenen, ich hätte nicht geschafft, was ich wollte, was ich versprochen hätte (wem auch immer...) und meine überhebliche Arroganz ebendiesen Menschen gegenüber. Denn seltsamerweise war kein einziger von ihnen dabei als ich in Straßengraben schlief, Tag für Tag den beschissenen Rucksack schulterte und mir das Leben in unserer Bundesrepublk aus einer anderen Sicht betrachtete.

Nun bin ich zurück, aus guten Gründen, die leider mehr Platz und Zeit einfordern, als ich im Moment erübrigen kann. Nun erwartet ein gewisser Prozentsatz der Daheimgebliebenen Weisheiten messianischen Ausmaßes, mit denen ich leider nicht dienen kann.

Ich habe einiges gelernt und über eine Menge Sachen ordentlich nachgedacht. Wer meint, er wolle die Welt sehen, der möge nach Witten fahren und lernen, dass wir so oder so alle auf dem gleichen Planeten abhängen. Die Entfernung von unserer sogenannten Heimat spielt in der Fremde keine Rolle. Und so sei jedem einzelnen ans Herz gelegt, dass, egal was passiert und in welcher ach so komplizierten Lebensphase man sich befindet, es nie zu spät ist, fortzugehen. Natürlich, mit der Dauer des Lebens wachsen die Dinge, die einen binden und von denen man meint, sie würden benötigt, ins Unermessliche. Das Festhalten an ebensolchen Bindungen darf aber nie nie nie auf Kosten des persönlichen Glückes gehen. Man lebt nur einmal und dann ist man tot.

Bis irgendwann mal

Euer Erleuchteter

Dienstag, 24. November 2009

Ab aufs Land

Aufgrund der bereits im letzten Beitrag beschriebenen Witterungsbedingungen hab ich keine Lust auf die Wanderei im Moment. Leben, Atmen, Schlafen muss ich alles aber trotzdem. Ab heute mach ich das in Jeeser, einem kleinen Dörfchen vor Greifswald, wo zwei verstrahlte Alt-Hippies in ihrem besetzten Waldschlößchen einen Riesen-Bücherflohmarkt etabliert haben und mich kostenlos aufnehmen. Ich helfe dafür beim Büchersortieren, im Moment die Reiseliteratur nach Ländern. Gleich mach ich mich auf den Weg dorthin, mit Sack und Pack. Ich ziehe sozusagen mal wieder um. Mal sehen für wie lange. Hauptsache, es wird lustig.

Passt auf Euch auf. Fröhliche Weihnachten!

Dienstag, 10. November 2009

Gruß aus Greifswald!

Meine Damen, meine Herren!

Wieder ist einiges passiert seit dem letzten Eintrag. Letzte Woche ging meine schöne, lange Zeit in Leipzig bei Max, Max und Florian zu Ende. Die Zeit also, die nicht nur für Straßenmusik und gemeinsamen Austausch stand, sondern auch für Fernsehen gucken, herumhängen und lecker Essen. Ist auch schön, also hab ich kein besonders schlechtes Gewissen.
Bezugnahme auf: Straßenmusik. Wer die Kommentare hier liest, hats schon gefunden, ein Video, wo ich drinne vorkomm. Das folgende Video spielt also im schönen Leipzig, handelt von einem Filmfestival in Leipzig und beinhaltet mich auf der Straße mit Gitarre (samt gerissener Saite!), wie ich künstlerisch minderwertig einen lächerlichen Singsang für dieses Festival anstimmen. Und das alles um 5 Euro zu bekommen. Das war aber sehr gut, denn ich konnte mir so neue Saiten kaufen. Und es könnte sein, dass mehr Menschen meinen Blog lesen. Das würde mich auch freuen. Ist ja auch egal, im Folgenden nun besagtes Video, ab ca. 3:05 findet ihr meinen kleinen Gastauftritt.



Am 4. November also raffe ich mich auf und verlasse Leipzig mit dem Ziel Greifswald. Ich fühle mich wie aus einer Lethargie erwachend. Das Soma, der Cocktail aus den gemeinhin beliebten Erzeugnissen von Nahrungsmittel-, Genussmittel- und Medienindustrie hat mich wieder porös werden lassen.
Ich fahre zunächst mit dem öffentlichen Nahverkehr bis ungefähr Sandhausen, nördlich von Leipzig und steige mit dem Rucksack auf dem Rücken aus dem Bus. Es geht also wieder auf Wanderschaft, diesmal unter erschwerten Bedingungen. Nass ists und vor allem kalt.
Am Stadtausgang von Leipzig hab ich endlich die Muße, die Gitarrentasche wieder ordentlich hinten auf dem Rucksack zu verschnüren. So hab ich wenigstens die Hände frei, auch wenn die Tasche jetzt gewichtsmäßig unvorteilhaft meinen Rücken beeinträchtigt.
Beim Schnüren des guten alten Pakets merke ich nicht nur, dass ich vergessen habe, Brot zu kaufen, nein, es fehlt noch etwas anderes Essenzielles. Klopapier! Hm. Ich wollte sowieso Muskelaufbau betreiben, dann fang ich eben beim Schließmuskel an.
Ich laufe weiter.
Um viertel vor 4 mache ich Pause in einem Pausemachdach. So nenne ich die kleinen Wandererpavillons, die, ihr wisst schon, aus einem Stück Holz geschnitzt zu sein scheinen und mit Dach, Bank und Tisch die nötigsten Eigenschaften eines Unterschlups aufweisen. Dummerweise habe ich Blick auf eine Familie, die gerade mit dem Aus- oder Umbau der Einfahrt beschäftigt ist. Vater und Sohn schleppen Steine von A nach B und die dicke Ehefrau kommt vom Tierarzt, schlägt den Hund und brüllt die mähenden Schafe an: "Halt die Fresse, sonst...!"

Immer wieder bekommt man beim Wandern durch Deutschland das Gefühl, man wandere durch ein Warenhaus für Statisten bei der Supernanny.

Die Landschaft, durch die es mich trägt (besser gesagt, durch die ich mich und meinen Rucksack schleppe), ist herbstlich, dreckig, nass und grau. Wenn Fassaden zu Stimmungslagen fähig wären, so müsste die korrekte Gefühlslage der Architektur in diesem Landstrich als mindestens "pessimistisch" beschrieben werden. Aber die herbstliche Stimmung macht eben auch nicht Halt vor dem Betrachter selbst, also ist die melancholische Metaphorik mit Vorsicht zu genießen.

Kurz vor 5: Es wird irgendwie ganz schön dunkel. Ich suche vor dem Regen Schutz in einem dieser Spielhäuser auf einem Spielplatz und während ich da so sitze und Schutz suche, wird es dermaßen schnell dermaßen dunkel, dass ich beginne, mich mit dem Gedanken abzufinden, in ebendiesem Spielhaus zu nächtigen.
Dieser Versuch wird gegen 20 Uhr aufgegeben.
Ich wandere weiter, diesmal in völliger Dunkelheit. Gegen 21 Uhr erreiche ich Lindenhayn, wo ich auf dem Marktplatz herumhänge und die hochgeklappten Bürgersteige im nebligen Schein der Straßenlaternen betrachte.

Schlußendlich schlafe ich direkt an der B2, auf dem Gras, unter einem Busch. Zack, Bumm, ich schlafe.

Der nächste Tag ist ein Donnerstag. Als ich erwache, ist mir seltsam kalt und ich bin überzogen von einer geruchsarmen, nass-kühlen Flüssigkeit. Ich denke zunächst an Entführung, Außerirdische oder die Bilderberger, doch langsam verstehe ich, dass es eine schlechte Idee war, ohne Zelt Anfang November unter einem Busch zu übernachten.
Stehe auf, wandere weiter und finde mich schließlich hungrig, den Schließmuskel trainierend, aber annehmbar wach, verträumt im Schneidersitz sitzend auf dem Parkplatz der Kiesgrube Brösen.

Gegen 10 Uhr erreiche ich Bad Düben. Endlich bin ich gesättigt. Hier gibt es eine Bäckerei, und die nette Bäckerin hat mir grade Backwaren verkauft. Deren Großteil habe ich verspeist.
Außerdem habe ich bei Schlecker eine einzelne Rolle graues, einlagiges Toilettenpapier für 1,50 € erstanden. Ein Euro und fünfzig Cent. Eineurofünfzig!!! 2 Rollen vierlagiges kosten nur 80 Cent. Ich werde bescheuert, aber das könnte eben genausogut am Pochen an der Darmwand liegen und deshalb kauf ich das verdammte Klopapier!

Der nachmittägliche Weg führt durch die Bad Dübener Heider, wo ich schlußendlich mein Zelt aufbaue, wobei die Taschenlampenbatterien den Geist aufgeben, ich mein Zelt also im Dunkeln aufbaue. Am nächsten morgen merke ich, als ich, frierend und mit klammen Fingern, das nasskalte Zelt zusammenrolle und verstaue, dass der Försterei-Bauwagen, in dessen Windschatten ich schlief, offen stand! Aber nein! Eine simple und hundertprozentig trockene Nachtstatt ist mir nicht verwegen genug! Ich nenne mich selbst einen Vollidioten und setze die Wanderung fort, bis die Sonne aufgeht.

Ich folge heute der B2 weiter bis Wittenberg, dass ich, um die Handlung mal ein wenig zu straffen, in den Abendstunden erreiche. Anfängliche geographische "Problemchen" hindern mich daran, zeitig das Zentrum zu erreichen, sodass ich an den Stätten, an denen mir ein Schlafplatz geboten werden könnte, niemanden vorfinde, zu spät dran oder zu wenig vermögend bin.
Traurig sitze ich auf dem dunkeln Marktplatz und lausche den Klängen des Saxophonsolos, das aus einem rötlich illuminierten Eckzimmer durch die Straßen schallt.
Meine letzte Hoffnung in Form eines Polizeiwagens fährt vorbei. Polizisten oder Punker sind die einzigen, die in ausweglosen Situationen noch eine Möglichkeit im Ärmel haben. Und Punker habe ich bereits verzweifelt gesucht.
Die Polizisten beschreiben mir, wie ich zum Träucheler Weg (oder so ähnlich) - dem Nachtasyl der Diakonie - komme. Nach einer etwa einstündigen Wanderung durch Wittenberg, und einem zweimaligen Auf und Ab entlang des (4 gefühlte Kilometer langen) Träucheler Weges (oder so ähnlich) finde ich das unscheinbare Gebäude. Nach der Kopie meines Personalausweises und der Belehrung, dass, sollte eben keine Kulanz gewaltet lassen werden gehabt haben sein, dann würde eine Rechnung über 6 Euro an meine Heimatadresse geschickt. Daraufhin werde ich zu meinem Bett geführt und darf schlafen, bis 6 Uhr am nächsten Morgen. Toll. Ich bin begeistert, ich habe ein Bett, weil ich eins brauche. Es fühlt sich etwas komisch an, wieder sozusagen von den Spendengeldern anderer Leute zu profitieren, gerade wenn man eigentlich nicht von Haus aus ein Bedürftiger ist. Das schlechte Gewissen verflüchtigt sich aber ziemlich. Nicht nur, weil ich ziemlich müde bin, sondern auch, weil die übrigen drei Betten in diesem Raum völlig leer sind. So bewahre ich die Einrichtung vielleicht eher vor der Schließung, als dass ich ihr schade.

Ich muss das hier abkürzen, das wird ja ein Roman.

Am nächsten Tag rekapituliere ich die letzten drei Tage und weiß, dass Wandern bei diesen Witterungsverhältnissen Unsinn ist. Zumindest für mich und meine Konstitution. Ich trampe innerhalb von zwölf Stunden von Wittenberg über Potsdam, Magdeburg, Hannover, Hamburg, Lübeck und Rostock nach Greifswald. Da bin ich jetzt und da guck ich jetzt mal. Mir geht es gut.

Auf Wiedersehen!

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Schnellspurt zur aktuellen Situation

Da es offensichtlich etwas albern wirkt, wenn ich die ganze Zeit von längst vergangenen Geschehnissen berichte, kürz ich das ganze etwas ab, um schnell wieder up to date zu sein.

Die Reise nach Berlin

Vom Grenzturm aus wandere ich bis Morsleben, von wo aus ich wiederum innerhalb von 2 Tagen über Magdeburg nach Berlin trampe.

Berlin

Am Vorabend ihres Geburtstages klingle ich bei Eva an der Tür und sorge für eine ordentlich gelungene Überraschung. Die nächsten 2 Wochen verbringe ich fast ausschließlich mit und bei Eva. Ich mache, was man in Städten so macht: Herumziehen, lange aufbleiben, lange ausschlafen, trinken ... versacken eben. Obwohl ich irgendwie auch Spaß habe, fühlt es sich nicht ganz richtig an. Demzufolge bin ich auch ganz froh, als ich am 26. September Berlin verlasse, und zwar im Zug Richtung Halle/Saale, wo ich engagiert bin, Desi beim Einzug zu helfen.

Halle - Leipzig - Halle

Von Halle aus besuche ich ein geniales Konzert von Tarentatec und Celan in Jena. Am folgenden Wochenende soll ich wieder bei einem Umzug helfen, der Max zieht nach Leipzig. Ich fahr bereits einen Tag früher und erlebe das noch unglaublichere Konzert von Schnaak und den amerikanischen Kayo Dot. Am Wochenende gibts ein schönes Wiedersehen mit Lukas und Max und eben einen Umzug. Ich bleibe noch ein paar Tage länger bei Max, Max und Florian in der WG, weil es mir bei ihnen, in dieser wundervollen Stadt Leipzig, so gut gefällt. Dann allerdings fahre ich erneut zurück nach Halle, wo mein ganzes Gepäck noch lagert.
Übrigens, in Sachsen-Anhalt beginne ich so richtig mit der Straßenmusik, dem eigentlichen Aufhänger dieser Reise. Ich werde selbstsicherer und besser. Ich hab mich auf einen Stundenschnitt von etwa 10 Euro eingependelt, was ich eigentlich ziemlich in Ordnung finde.
Nun ja, nun reicht es wirklich mit der Seßhaftigkeit, ich bin im Begriff nach Leipzig aufzubrechen, noch einmal bei den Jungs vorbeischauen und dann schnurstracks nach Greifswald...Mal schaun wie lange der Winter braucht um mich zu brechen.

So, nach diesem unmotiviert formulierten Zeitraffer-Blogeintrag hoffe ich, dass jetzt alle zufrieden sind. Der nächste Eintrag wird etwas auf sich warten lassen, denn ich muss erstmal wieder etwas erleben.

Au revoir!

Unterwegs nach Leipzig

Also, wer das Prinzip noch nicht verstanden hat: Die Überschrift eines Eintrages hat nichts mit dem Eintrag selbst zu tun, sondern lediglich mit dem Ort des Geschehens. Im folgenden Text geht es also weder um Halle noch um Leipzig. "Unterwegs" passt, aber das war es dann auch schon.

Wir schreiben also Samstag, den 5. September 2009. Ich erreiche Lehndorf, Braunschweigs ersten Vorort gegen 12:15 Uhr. Irre weiter durch Bezirke Braunschweigs und konstatiere: "Wenn sich hier nicht irgendwo noch eine Altstadt verbirgt, ist Braunschweig abgrundtief hässlich" Es gibt aber eine Altstadt, in der ich am Nachmittag Gregor Gysi bei einer Wahlkampfveranstaltung höre. Hier lerne ich auch Daniel, einen Skinhead aus Königslutter und Becks, einen Braunschweiger Punker kennen. Gemeinsam mit Becks erforsche ich also Braunschweig bei Nacht, wir gehen zum Abschiedskonzert der "Tanzenden Kadaver" und trinken Bier. Ich darf auf dem Bauwagenplatz, auf dem auch Becks wohnt, im Gästewagen übernachten.

Hier bleibe ich zwei Nächte (durgehend fürchterliches Wetter!), um am 7. September, einem Montag, wieder aufzubrechen. Um kurz nach 10, kurz hinter Braunschweig, raste ich ein erstes Mal und verspeise ein mäßig leckeres Laugenbrötchen. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, ich schwitze wie bekloppt. Endlich erreiche ich einen schattigen Wald.

Nach einiger Zeit des Wanderns habe ich ordentlich schlechte Laune, da ich gezwungenermaßen nach Norden marschiert bin. Das Gepäck nervt, ich habe Hunger und nichts zu essen, Schmacht, und keine Zigaretten. Fürchterlich. Ich sitze an der Autobahnausfahrt Scheppau und habe keine Lust mehr. Die Sonne knallt als gäbs kein Morgen mehr.

Irgendwann komme ich in Bornum an und raste auf dem Friedhof. Die Friedhöfe sind meine liebste Heimat. Ruhe, frisches Wasser, die Verbindung zwischen Natur und Gesellschaft und das gleichzeitige Eintauchen in die vielleicht persönlichste Geschichte des Ortes. Dies scheint eine junge Gemeinde zu sein. In Bornum ist noch viel Platz zum Sterben.

Nach einem Gewaltmarsch erreiche ich Königslutter am Elm, wo ich hoffe, den gestern kennen gelernten (grammatikalische Abgründe tun sich auf - mir solls recht sein) Daniel erreichen zu können. Tja, Fehlanzeige.
Der Mond ist aufgegangen und klebt dick und golden über Königslutter, der Stadt, die mich enttäuscht hat. Kein Daniel, keine Bahnhofsmission (zumindest nicht am Bahnhof), keine Bleibe. So liege ich denn matt, mit schmerzenden Gliedern und Füßen auf einer kleinen Grünfläche nebenden öffentlichen Toiletten am Bahnhof... Vielleicht hätte ich gern einen Hund.
Später schlafe ich im Park hinter einer katholischen Kirche.

Der nächste Tag ist Tag 26 meiner Reise, ein Dienstag. Ich habe vor, heute die deutsch-deutsche Grenze zu erreichen, beziehungsweise, rein in die DDR. Schnell erreiche ich Helmstedt, nachdem mich ein freundlicher, autoteileausliefernder Rentner aufsammelte und ein Stück mitnahm. Nun sitz ich unter einem Baum, freue mich auf mein ungesundes Frühstück (Cola light und Schokolade von LIDL) und fertige eine nutzlose Liste mit Pro- und Kontra-Argumenten zu Ausbildung und Studium an. Ergebnis: Unentschieden. Na toll.

Gehe von Helmstedt nach Bad Helmstedt, von wo aus ich wiederum einem designierten Wanderweg folge und an einer total verfallenen Hütte ankomme. Es hängen noch alte Plakate dran. "Was tun, wenn der Wald brennt" und "Folgen des Waldsterbens"
Waldsterben. Auch so ein Begriff, der sich überdauert hat. Kann mir schwer vorstellen, dass das Problem nicht mehr existiert. Bloß das Interesse.

Nach mehr und mehr ziellosem Herumirren im Wald stoße ich auf eine Schnellstraße, exakt an der Grenze vom Landkreis Helmstedt zum Landkreis Börde. Bin ich in die DDR gekommen, ohne es zu merken? Das wäre eine schöne Symbolik für ein wieder vereinigtes Land...
Ich dreh mich nach links und sehe einen verfallenen Grenzturm. Hehe. Das wars dann wohl, obwohl dem Turm auch eine gewisse Symbolkraft inne wohnt. Er ist total kaputt, alle Fenster sind zerschlagen. Ich mache Fotos und Pause.



So. Pause auch hier. Jetzt bin ich schon fast up to date. Bis dahin.

Montag, 12. Oktober 2009

Halle an der Saale 2

So, ich muss hier wirklich einiges aufholen, in der Überschrift steht Halle an der Saale und im Text Hannover. Ich fasse mich kurz.

In Hannover bekomme ich also Obdach im Verbindungshaus der Verbindung von Philipp und erlebe prompt einen unvergesslichen Abend mit (in erster Linie) Bier, aber auch einer sogenannten Spontankneipe samt Schärpen, Degen, Blödsinn, Studentenliedern aus alten, viel viel besseren Zeiten und so weiter.

Am 2. September, nach drei Nächten in Hannover mache ich mich wieder auf die Socken. Leider etwas zu spät und etwas zu langsam, sodass ich es nicht schaffe, Hannover zu verlassen und im Gebüsch um einen stillgelegten Steinbruch abseits des Gewerbegebietes nächtige.

Ich erwache erstaunlich ausgeruht. Kurz vor Lehrte pausiere ich aus Kotgründen und registriere, dass der Herbst einsetzt. Ungemütlich.
Ich beginne, zu vereinsamen. Beim stundenlangen Wandern durch das flache Niedersachsen und seine Maisfelder bleibt mir Zeit für die dümmsten und klügsten Gedanken. Alles beginnt, gleich auszusehen. Alles beginnt, sich gleich anzufühlen. Ein Trott, dem ich mit gutem Willen begegne, den ich aber freudlos ausführe. Kann es nicht erwarten, endlich in Berlin anzukommen. Nach der guten Erfahrung des Trampens nach Hannover ist die Versuchung nach Berlin zu trampen groß, aber ein letzter Rest Ehre sträubt sich in mir. Es geschieht nichts.

Ich beginne mit Planungen für meinen späteren Garten. Ja, neben den Ideen Bauwagen und/oder Hausboot möchte ich auch einen Garten. Er soll aus einem Obst-, einem Gemüse- einem Kräutergarten bestehen. Obstsorten könnten sein: Apfel (eine bißfeste, weiße Sorte), Pflaumen, vielleicht eine Birne, Brombeeren natürlich, aber auch Erdbeeren und Himbeeren, Weintrauben wären toll und vielleicht ein Kirschbaum. Der Gemüsegarten enthielte dann Tomaten, Zwiebeln (am liebsten die roten), Kartoffeln, Bohnen und Salat. Mais nicht. Ich kann keine Maispflanze mehr sehen, ich sehe ja jeden Tag Tausende. Der Kräutergarten wiederum würde beinhalten: Schnittlauch natürlich, Petersilie, Basilikum, Dill, Thymian, Minze, (Zitronen)Melisse und Rosmarin vielleicht. Oder Salbei. Ich hab natürlich überhaupt keine Ahnung vom Gärtnern und Pflanzen, bin nur inspiriert von den Obstgärten, die ich so passiere, und aus denen ich mir immer Äpfel, Pflaumen und Birnen mopse. Außerdem hatte ich auch keine Ahnung vom Wandern, bevor ich los bin und das klappt ja ganz gut.

Ich nächtige im Hainwald in Hämelerwald und erwache am nächsten Morgen ebenda. Kaum noch Wasser, kaum Brot, kaum Geld. Heute will ich mindestens bis Peine (noch 14 km), noch lieber so weit, dass ich schon morgen in Braunschweig sein kann (noch 41 km)
Gegen 11 Uhr morgens erreiche ich Peine und stille meinen Hunger mit 2 Äpfeln aus einem der vielen Gärten. Nehme mir zwei weitere Äpfel für später. Alles, was mir zu meinem Glück noch fehlt, ist ein Wasserhahn. Hoffentlich gibts hier einen Friedhof.
Erreiche Peine Innenstadt und bin erstaunt: Ein schönes Städtchen! Ich scheine bedürftig auszusehen und bekomme von ebenfalls bedürftig aussehenden Menschen 3 Euro zugesteckt. Juhu! Ich kaufe mir Wasser und Brot. Lecker lecker. Der Bäcker Seidel aus Peine backt sehr leckeres Brot.

Den Rest des Tages verbringe ich mit Wandern und Denken (führt zu nix - deprimierend!) bist ich es mir in einer kleinen Laube im Wald von Fürstenau "gemütlich" mache. Es sieht nach Regen aus.

Ich erwache, es ist Samstag, der 5. September. Innerhalb kürzester Zeit (4 Stunden) marschiere ich trotz des Mistwetters zügig entlang der B1 nach Braunschweig.

Hier endet dieser Eintrag, ich habe Hunger. Man goutiere jedoch meinen guten Willen mit dem Blog irgendwann wieder aktuell zu sein. Mucho amore, bis bald!

Montag, 21. September 2009

Berlin à trois (bzw. Halle/Saale)


Ach, es ist schon eine Krux (oder heißt es ein Krux) mit diesem Blog. Aber ich werde tapfer weiter formulieren, auf dass ihr was zu lesen habt. Aber nicht hinterher beschweren, wenn ich euch alle wegen Schmerzensgeld zur Behandlung meiner Formulierungsfraktur verklage. Dann seid ihr nämlich schuld! Ich bin aber auch faul, diesen Eintrag habe ich in Berlin begonnen und jetzt bin ich schon seit längerem in Sachsen-Anhalt unterwegs. Egal weiter im Text, zurück nach Niedersachsen!

Nichtsdestotrotz erreiche ich also Minden, schlecht gelaunt und mit schmerzenden Füßen. Nach etwa einer Stunde, die ich durch Mindens fürchterliche Wohngebiete wandere (nicht dass Mindens Wohngebiete besonders fürchterlich sind. Wohngebiete generell sind, gerade zu Fuß, ekelerregend), finde ich sowas wie das Stadtzentrum. Nach einer kleinen Stärkung begebe ich mich in den Stadtkern, wo mich laute Bigband-Musik zu einem Platz lotst, wo gerade Till Brönner mit der NDR Bigband auftritt. Ich erlebe den gesamten Auftritt als Zaungast, die Hälfte der Zeit auf einem Stromkasten stehend. Ich komme mir sehr verwegen vor.

Dann ist es zu Ende, alle gehen nach Hause und ich steh da, kurz vor Mitternacht am 30.8. in Minden und weiß nicht wohin. Ich suche einen Platz zum Schlafen, was sich in Städten sehr viel schwieriger gestaltet als in der freien Natur. Ich finde heraus: Eine Bahnhofsmission gibt es hier nicht. Die Parkbank, die ich mir als Schlafplatz aussuche, erweist sich nach einiger Zeit als ebenfalls ungeeignet. Ich bin auch gar nicht mehr müde.

Ich geh also zum Bahnhof und setze mich davor. Hier gibts immerhin was zu sehen. Ich beobachte, wie immer wieder dicke deutsche oder junge russische Männer in großen Vans die Tageszeitungen für den nahenden Morgen anliefern. Als sie weg sind, mopse ich mir FAZ, SZ und taz, zieh von meinem letzten Geld eine Tafel Voll-Nuss aus dem Süßwarenautomaten und setze mich lesend ans Gleis.

Als es irgendwann hell wird, mache ich mich wieder auf den Weg. Werde nun doch müde. Versuche mich mit lustigen Dingen, die auf Schildern stehen, abzulenken. Klappt nicht so richtig. In jeder Bushaltestelle schlafe ich für 10 Minuten, bis ich irgendwann im Gehölz am Straßenrand einschlafe.

Als ich erwache, bin ich nicht ausgeruht. Müde, außerdem tut mir mein Körper an verschiedenen Stellen weh. Hinzu kommt, dass das "Abenteuer Obdachlosigkeit" nicht nur nicht angenehm sondern meiner Meinung nach auch ziemlich unverantwortlich ist. Wie komme ich, Abiturient, Akademikerkind, dazu, mir anzumaßen, nachts auf Barkbänken und vor Bahnhofshallen herumzulungern wie ein Ausgestoßener und dann auch noch Selbstmitleid zu haben? Ekelhaft eigentlich. Ich treffe die Abmachung mit mir selbst, nur noch in der Natur zu übernachten, oder wenigstens in etwas, das so aussieht, wenn ich kein Dach über den Kopf bekommen kann. Ich möchte kein Bedürftiger sein.

In dieser Stimmung entscheide ich kurzfristig, nach Hannover zu trampen. Ich laufe noch bis Bückeburg, wo ich mich an die Auffahrt zur Autobahn. Kein 1 1/2 Stunden stehe ich in Hannover an der Uni und erforsche die Stadt.

Bald gehts weiter mit einer lustigen Verbindungsfeierei und der Überquerung der ehemals deutsch-deutschen Grenze (die einzige Wildnis unseres Landes)


Stay tuned, liebe Freunde!

Freitag, 18. September 2009

Berlin die Zweite

Ok, ok, ich gebs zu, die Sache mit den Hochlandrindern war ein bißchen übertrieben, ich wollte ja, dass ihr dabei bleibt. Es war nur eins und gekämpft haben wir auch nicht, ich wollte, aber das Rind stand desinteressiert auf der Weide und käute wieder. Ist wahrscheinlich auch erfüllender als sich mit unrasierten Exil-Städtern zu kloppen.

Wo wären wir? Osnabrück, immer noch. Bevor ich zur zweiten Nacht komme, muss ich zunächst eine Begegnung nachtragen. Der erste Osnabrücker, den ich treffe, ist ein versoffener Obdachloser. Das sind sowieso eigentlich immer die ersten, die man trifft, respektive mit denen man sich (gewollt oder ungewollt) unterhält. Sie sitzen einsam auf Bänken, trinken Billig-Bier und rauchen Selbstgedrehte ohne Filter. Freundlich sind sie eigentlich immer, seltsam auch. Mein Osnabrücker "Freund"hieß - glaube ich - Siggi und arbeitet einst als Alleinunterhalter mit seinem Schifferklavier. Heute macht er Straßenmusik mit der Mundharmonika. Beneidenswert gut übrigens. Er lebt auf der Straße, ohne Geld, sogar sein Schifferklavier haben sie ihm abgenommen. Und warum? Wegen Howard Carpendale und den Flippers. Für die habe er nämlich Songs geschrieben, damals, und sie hätten ihn bestohlen. Klingt so bescheuert, dass ichs fast glaube. Oder ich hab den armen Kerl falsch verstanden, genuschelt hat er nämlich auch ganz schön.

Die zweite Nacht in Osnabrück verbringe ich in einem Backpacker-Hostel, von dessen Besuch ich jedem in aller Form abraten möchte. Sauber und freundlich ist es, sicherlich. Aber leider überteuert. Und ich muss noch 3 Euro extra für Bettwäsche bezahlen, weil der Schlafsack angeblich die Matratze zerstöre. Aha, aha. Halte ich für Quatsch. Vor allem dann, wenn die Matratze so aussieht, als könne da nicht mehr viel zerstört werden. Ein Stück Schaumstoff, umgeben von löchrigem Leinen. Das sollen Schlafsäcke gewesen sein? Ich weiß nicht. Also: Die Moral von dem Bericht: In Osnabrück lohnts Hostel nicht!

Ei ei ei, das mit dem Reimen lass ich lieber.

Am Freitag, den 28. August 2009 verlasse ich Osnabrück. Es regnet in Strömen. Richard, ein freundlicher Ergotherapie-Azubi liest mich kurz hinter Belm auf und fährt mich ein paar Kilometer weiter, bis etwas hinter Ostercappeln. Es hört auf zu regnen und ich laufe etwa 3 Stunden lang im Kreis. Auf diese schmachvolle Erfahrung möchte ich hier nicht weiter eingehen. Ich verbringe die Nacht im Wald hinter Hitzhausen.

Mittags werde ich Opfer meiner Gelüste und erstehe von meinem letzten Geld im Edeka in Ostorf eine ungesunde Zwischenmahlzeit bestehend aus Buttermilch, Schokopudding und einem kinder-Country. Das ganze war kostete lediglich 75 cent, war qualitativ aber auch echt das letzte. Bis auf den kinder-Country, der war top.

Nach Wanderung durch Preußisch-Oldendorf und Lübbecke suche ich nach möglichen Schlafplätzen, bis ich schließlich in Nettelstedt fündig werde: Eine offensichtlich nicht fertig gebaute, nun als Schrottabladeplatz dienende, Garage weißt als Inventar unter anderem ein altes, von Motten zerfressendes, nahezu gemütlich wirkendes Sofa auf. Ich mache es mir bequem und versuche zu schlafen. Doch alles sollte ganz anders kommen...

(dramatische Musik!)

Denn bei der Begehung meiner Schlafstätte werde ich beobachtet und errege Mitleid. So kommt es, dass die "treetops" (die sich hier auch bereits als Leser eingefunden haben, hallo!) mir nicht nur eine Nacht auf einer Matratze in richtiger Bettwäsche ermöglichen, sondern ich auch noch einen unheimlich gemütlichen Abend bei Rotwein, Geschichten und Gelächter verbringen darf. Am nächsten Tag bekomme ich außer einem üppigen Sonntagsfrühstück (inklusive "Guten Morgen"-Schnitzerei in der Butter) auch noch Tipps zur Routenplanung in der Region. Also nochmal, vielen Dank für alles, es war super!

Die Routenplanung nehme ich natürlich dankbar an und latsche durchs Moor zum Mittellandkanal. Diesem folge ich, bis ich, wehen Fußes, Minden erreiche.

So, und hier mache ich einen Schnitt, es ist halb eins und in Berlin scheint die Sonne, ich habe einiges vor: Die Bauhaus-Ausstellung, Friedrichshain, außerdem wollte ich Postkarten kaufen. Jaja, es ist ein hartes Leben, liebe Leute. Nie kommt man zur Ruhe!


Servus!

Mittwoch, 16. September 2009

Berlin

Jaha, es ist wahr, ich lebe noch und kann sogar noch formulieren. Nach den ... äh... fünf Tagen in Berlin, schaffe ich es nun, mal ins Internet zu gehen und an diesem Blog weiterzuschreiben. Und wenn ich hier so runterscrolle, sehe ich, dass da einiges hinzuschreiben ist. Na, das kann ja heiter werden.

Ääh, wo war ich denn stehen geblieben? Aha, Osnabrück, beziehunsweise das sagenumwobene Hagen a.T.W. Es gibt sogar noch ein Hagen, Nähe Braunschweig. Es heißt allerdings Stadthagen und ich habs mir gespart.

Aber ich fange lieber vorne an. Von Emsdetten wandere ich also los am elften Tag dieser Reise und komme nicht besonders weit. Bis Saerbeck, der - euphemistisch gesprochen - Nachbargemeinde, also dem nächstgelegenen Klecks Bauten, wo ich im Wald campierte. Am nächsten Tag ging es durch Dörenthen und Tecklenburg. Bei einem Krug Cola in einem völlig leeren Landgasthof irgendwo hinter Tecklenburg (die Ortsbeschreibung erklärt die Frequentierung, wie ich finde) höre ich beiläufig den Wetterbericht. Ich freue mich darüber und erschrecke vor mir selbst. Ich als überzeugter Wetterberichtenutzlosfinder ("Wer wissen will, wie das Wetter ist, möge aus dem Fenster gucken. Wer wissen will, wie das Wetter morgen ist, der möge morgen aus dem Fenster gucken" -Max Goldt) höre, dass es morgen nicht regnen soll, und freue mich!

Zurecht, wie ich am nächsten Tag (Mittwoch, der 26.8.2009 - um das mal alles wieder in ein genormtes Bezugssystem einzuordnen) feststelle. Habe die Nacht in Lengerich (ein äußerst nettes Städtchen in Bielefelder Dunstkreis) in einem gutbürgerlichen deutschen "Hotel" verbracht, sogar mit Pilgerrabbat, den mir die zahnlose Alte, der das Etablissement gehörte, trotz fehlenden Pilgerausweises gewährte. +++ Wenn meine Sätze zu verschachtelt werden, bitte ich um Hinweise, da ich gerade gequält versuche, eine Tagebuchseite pro Satz zu verpacken. Danke +++ Jedenfalls habe ich dann am nächsten Morgen, nach ausgiebiger Dusche, ein leckeres Frühstück genossen. So gestärkt schulterte ich mein Säckel, marschierte in den Wald, setzte mich auf eine Bank am Maisfeld ("Heimatverein Lengerich wünscht Frohe Rast!") und verbrachte den Spätsommervor- und mittag mit der Lektüres von Herrmann Hesses "Demian", den ich am Abend vorher für einen Euro erstanden habe. +++ Wirklich, diese Schachtelsätze würden mich fertig machen. Zum Glück muss ich das ganze Gesummse ja nicht lesen. +++ Ein äußerst kluges Buch. Ich ließ es auf der Bank liegen. Ein Buch wiegt und stört. Neue Erinnerungen hingegen machen den Kopf leichter, nicht schwerer. Oh, diesen Satz sollte ich vielleicht in meine "Sätze, die ich als Oppa später mal zu passenden und unpassenden Gelegenheiten zum Besten geben will"-Kartei schreiben. Bisher steht da schon drin: "Was schwer wiegt, ist meistens schwer" (bezog sich aufs Gepäck, kann aber vielfältig ausgelegt werden!), "Erzähl mir nix, ich war in Niedersachsen!" und - damit es hier auch sowas wie einen roten Faden gibt - "Erst nach einem zünftigen Morgenschiß ist man so richtig wach!" Naja, ist wohl eher ein brauner Faden. So jetzt reichts. Das ist nur für später, damit ich mein Buch über diesen ganzen Käse so ein bißchen als "männliche Survival-Variante von 'Feuchtgebiete'" verkaufen kann. Leute, was denkt ihr denn? Alles Kalkül, alles! Immer ökonomisch denken!

Aber ich schweife ab.

Und zwar schweife ich von Lengerich nach Leeden nach - tadah! - Hagen am Teutoburger Wald (kein weiteres Wort!) nach Georgsmarienhütte nach Osnabrück, wo ich nach einem netten Abend in der SonderBar (pfiffiger Name, oder?) beim netten Studenten Andreas eine Nachtstatt fand.

Und was ich dann erlebte, wem ich noch so begegnete, und ob ich den Kampf gegen die wildgewordenen schottischen Hochlandrinder für mich entscheiden konnte, gibts in der nächsten Folge. Heute habe ich keine Lust mehr.


Wiederschaun!

Donnerstag, 27. August 2009

Osnabrück

Hallo, liebe Gemeinde!

Ich bin seit gestern Abend in Osnabrück. Eine sehr schöne Stadt, wirklich, sehr sehr schön.
Habe keine Lust so einen Abriss zu schreiben wie bein letzten Mal, bin viel zu faul und Internet-genervt.



Nur so viel: Es gibt noch ein Hagen! Ich war da. Gestern. Hagen am Teutoburger Wald (oder Hagen a.T.W. - wie der Kenner sagt). Etwas kleiner als Hagen-Hagen, aber nur unbedeutend schöner. Es setzt sich zusammen aus einer Brücke (häßlich), einem Gewerbegebiet (häßlich) und einigen Neubaugebieten (auch häßlich). Den Stadtkern hab ich mir gespart, aber immerhin hats Wiesen und Felder und Wälder. Das Schild am Ortseingang ("Hagen - Neues entdecken!") blieb mir jedenfalls sein Versprechen schuldig. Noch nicht mal der Name für den ganzen Mist war neu!

Euer Hagen-geschädigter
Rasmus

Sonntag, 23. August 2009

Emsdetten II

So, etwas verkatert vom vergangenen Abend werde ich mir nun den Rest meiner Rückschau aus den Fingern quälen.

-Tag 3, 16. August 2009

Stehe mit der Sonne auf und mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Frühstücksplatz. Vergesse, dass ich mich in Hagen befinde, und verputze schlußendlich mein allmorgendliches Käsebrot auf einem LKW-Parkplatz.

Hier spielt sich auch eine für diese Unternehmung nahezu historische Begebenheit ab: Ich verrichte mein Geschäft zum ersten Mal im Freien. Eine neuartige Erfahrung. In gemütlicher Hockposition kann man durch die eigenen Beine der Wurst beim Fallen zusehen. Sehr interessant! Die Hinterlassenschaft sieht aus, als hätte ein Hund gelernt mit Klopapier umzugehen. Freikoten, ein wahrhaft stinknormale Sache!

Sitze kurz hinter Herdecke am wunderschönen Hengsteysee und lasse die Beine ins Wasser baumeln. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, ich telefoniere nach Hause und fühle mich gut. Plane schnellstmöglichst einen Campingplatz zu finden und den Tag geruhsam zu beenden. Zunächst erstmal ein Brot mit Käse. Meine Spezialität.















Natürlich kommt alles anders. Ich erreiche unwissentlich Dortmund, als ich - dem Wanderweg des Sauerländer Gebirgsvereins folgend - den hohen Syberg besteige. Oben angekommen treffe ich Christoph. Ein spiritueller, relativ abgedrehter Naturbursche, der mich auf seiner Vespa mitnimmt zu der Wiese in Dortmund-Aplerbeck, wo sein Zuhause steht: Ein bunt angemalter Bauwagen, vor dem ich es mir für die Nacht gemütlich mache.

- Tag 4, 17. August 2009

Es ist Montag, und so fühle ich mich auch. Habe aus irgendeinem Grund die ganze Nacht mit Reiern verbracht, bin demzufolge schwach und blass und wackelig. Erstmals stelle ich die gesamte Tour infrage, vermisse, was ich zurückließ und habe ungenaue, pessimistische Vorstellungen von der Zukunft. Durchfall habe ich auch. An diesem Tag werde ich vom Freikot-Sympathisanten zum professionellen, ausübenden Freikoter.

Drei Tage hat das Hochgefühl gedauert, jetzt hab ich die Nase gestrichen voll. Ich frage mich, wie ich mir das vorgestellt habe, mehrere Monate oder gar Jahre unterwegs zu sein. Mein Selbstwertgefühl und mein Tatendrang besuchen sich gegenseitig auf dem Boden und verarschen einander. Christoph kümmert sich allerdings rührend um mich.

Überall blöde Tierchen und Viecher und anderes Kroppzeuch, ich werde wahnsinnig.

- Tag 5, 18. August 2009

Einen Tag lang war der Depressionskram ja ganz lustig, aber heute gehts mir schon wieder gut, körperlich sowieso. Verbringe den Tag mit Christoph an einem See. Er engagiert mich, die nächsten 3 Tage bei ihm auf der Baustelle für 8 Euro die Stunde zu helfen. Er baut eine Natursteinterasse in Herbede. Wenn ihr auch irgendwann mal zuviel Geld und ein Eigenheim habt, und es euch nach einer wunderhübschen Terrasse gelüstet, deren Fertigstellung euretwegen ruhig ein bißchen länger dauern kann (schließlich lässt der Bauende sich gern mal ein bißchen Zeit - um es diplomatisch auszudrücken), dann findet ihr Christophs Firma hier.
Vielleicht macht er bis dahin aber auch irgendwo etwas völlig anderes. Es stehen nämlich einige Veränderungen an in Christophs Leben. Außerdem hat er alle 10 Minuten eine neue, die weltverändernde Idee. So zum Beispiel neulich, als er mir von seiner (bisher fiktiven) Partei erzählte. Die HPD, die humanistische Partei Deutschlands, mit dem Motto "Glück und Menschlichkeit für alle". So ironisch das jetzt alles rüberkommen mag, habe ich Respekt vor Christophs Leben und Lebensweise, und welchen Stress er auf sich nimmt, um sie sich zu ermöglichen. Es erfordert mehr als nur keinen Bock auf die Gesellschaft, um einfach irgendwo auf dem Land im eigenen bunten Bauwagen ein Aussteigerleben zu führen, wenn man nicht einsam sterben möchte. Vielleicht schreib ich an anderer Stelle mal ein zusammenhängenden Text über Christoph; hier und heute reicht, dass ich froh bin, ihn kennen gelernt zu haben und mit ihm einige wunderschöne, reichlich bescheuerte Tage erlebt zu haben. Weder diese Tage noch Christoph selbst werde ich jemals vergessen.

- Tag 6, 19. August 2009
Heute beginnt die Arbeit in Herbede. Nach einigen Stunden Steineschleppens und Kiesschippens fahren Christoph und ich zum Kemnader See, wo wir zunächst schwimmen und dann unter der Brücke unser Camp aufschlagen. Neben uns grast eine Herde Schafe und über uns fliegt ein Schwarm Wildgänse in V-Formation in den Sonnenuntergang.

Die Geräusche, die eine Schafherde macht, sind das Lustigste im ganzen Kosmos. Nur ganz ganz ganz ganz wenige Schafe blöken so, wie alle Schafe in den Hörspielen und Englischlernkassetten dieser Welt so blöken.
Ich stelle mir vor, das Leben als Schafherde auf der Weide muss so sein wie das Klischee der Rockband auf Tour: Man ist die ganze Zeit beisammen, man tut was man am liebsten tut (Rockband: spielen, saufen, über Frauen und mit Kerlen sprechen; Schafherde: grasen!). Und das wichtigste: Man führt die ganze Zeit Konversation auf unterstem Niveau! Manche Schafe erzählen einen schlechten Witz nach dem andern, der Rest der Herde lacht sich kaputt. Mit Ausnahme der Schafe, die - es tut mir leid - ein bißchen schwul klingen. Die beschweren sich nämlich ständig lautstark. Wahrscheinlich machen die anderen Witze auf ihre Kosten. Schmunzelnd über die gruppenpsychologische Problematik einer Schafherde nachdenkend entschlafe ich sanft.

- Tag 7 und 8, 20. und 21. August 2009

Ich bin eine Woche unterwegs und es kommt mir vor wie vier. Ich muss dringend weiter. Ich arbeite weiter und schlafe wieder unter der Brücke und setze mich am Freitagabend mit frisch verdienten 168 Euro in den Zug Richtung Emsdetten. In Münster mache ich Station und bestaune diese wahrlich schöne Stadt. Markus, alles klar, ich habs für dich schon mal angecheckt, ich glaub hier kann man gut wohnen! Gönne mir von dem ganzen Geld ein leckeres warmes Essen beim Italiener, zuerst ein Teller Bruschetta und dann Tortellini in Gorgonzola-Spinat-Sauce. Dazu ein dekandet spießiges Glas Rotwein. Satt und zufrieden steige ich in den Zug nach Emsdetten, wo der Neighbour mich willkommen heißt und mir die nächsten beiden Tage

- Tag 8 und 9, 22. und 23. August 2009

das Gefühl gibt, sehr willkommen zu sein.

Soweit der Stand der Dinge, jetzt hab ich wirklich keine Lust mehr, außerdem kommen Terrence Hill und Bud Spencer im Fernsehen.
Morgen früh gehts wieder los, zu Fuß Richtung Osten, Richtung Berlin.

Bis zum nächsten Mal, ich liebe euch alle!

Samstag, 22. August 2009

Emsdetten

Heidewitzka, ich bin in Emsdetten! Die erste Etappe ist geschafft! Endlich bin ich aus der Region raus, in der ständig "Wuppertal" auf allen Straßenschildern steht. Was - wie man sich vorstellen kann - reichlich demotivierend ist. Nun bietet sich erstmals die Gelegenheit ins Internet zu gehen (ist gar nicht mal so spektakulär) und hier euch allen eine Rückschau auf die vergangene - ereignisreiche! - Woche zu präsentieren.

- Tag 1, 14. August 2009

Mein Rucksack wiegt 25 Kilo. Nach ungefähr 20 Metern wird auch meinem Rücken klar, was das bedeutet. Ich mache erstmal Pause auf der Hardt und komme nicht umhin, mich neuerlich für die Kohlfurt-Alternative zu begeistern. Aber Unsinn! Los gehts nach Schwelm!

Die Wuppertaler Stadtgrenze lässt viel zu lange auf sich warten. Ich verlasse das Tal zwar nicht mit wehenden Fahnen, aber immerhin mit schmerzenden Gliedern, die mich zwingen, an einem Stromkasten etwas abseits der B7 zwischen Wuppertal und Schwelm zu rasten. Bei einer zünftigen Scheibe Brot und einem leckeren Stückchen Käse, versuche ich mein Handy einzuschalten, um heraus zu finden, wieviel Uhr es ist. In meiner Gedankenversunkenheit (oder so) tippe ich meine PIN dreimal falsch ein (!!!), was einen heimwärts gerichteten Anruf nach meiner Ankunft in Schwelm erfordert. Dieser ist allerdings erst möglich, nachdem ich nach etwa 1 1/2 Stunden (ungelogen) Schwelms einzige funktionierende Telefonzelle finden konnte. Spitzenmäßiger Einstieg.

Verbringe den Abend und die Nacht bei Marc und Mara in Schwelm. Danke nochmal!

Tag 2, 15. August 2009

Nachdem ich den Vormittag mit Wandern und Jammern verbracht habe (das Gepäck ist über Nacht nicht leichter geworden), raste ich lange in der Sonne neben einigen Kühen in der Einfahrt eines CVJM-Familienzentrums im Schwelmer Umland. Ich erhalte unerwarteten Besuch von Marc und Mara, die mit dem Auto vorbeifuhren. Dann spiele ich Gitarre und entschließe mich, weiter zu gehen. Die Kühe haben übrigens kein einziges Mal atmosphärisch gemuht, sondern nur eklig gerülpst, gefurzt und geschissen. Dies sollte nicht das einzige unromantische Aufwachen ob der wahren Natur der - äh - Natur bleiben.

Nachmittags sitze ich in den Ausläufern des Gevelsberger Gewerbegebiets und kühle meine Füße in einem Bach (der Ennepe, wie ich später lerne). Zum ersten Mal holen mich die romantischen Vorstellungen vom Wandersmanndasein ein.

Am frühen Abend erreiche ich - körperlich am Ende - Hagen, das ich nach gefühlten 2 Sekunden zur neuen Nummer Eins meiner Bestenliste der häßlichsten Städte Deutschlands ausrufe. Ich suche relativ verzweifelt ein Nachtquartier und kaufe mir erstmal frustriert eine Buttermilch (von Weihenstephaner, die mit den leckeren Butterflocken!). In den schlimmsten Lebenskrisen helfen nur Molkereiprodukte, so verkommen diese Industrie auch sein mag. Erst wenn es synthetische Buttermilch gibt, werde ich vegan.

Nachdem ich anfänglich drauf und dran bin in einem 2qm-"Park" (Typ Hartz IV-Empfänger-Treff (Harry's Trinkhalle ist gleich nebenan)) zu nächtigen, schlage ich mein Zelt schließlich im winzigen Waldstück zwischen Bahnschienen und Ennepe auf. Ich verbringe eine geruhsame Nacht in dieser schrecklichen Stadt.
Mein Resümee: Hagener - flieht solange ihr könnt!


Die weiteren Tage folgen morgen, jetzt hab ich keine Lust mehr, schließlich ist heute Rock'n'Roll-Nacht im Plattendeck Emsdetten.

Bis morgen!

Mittwoch, 12. August 2009

Noch zweimal schlafen.

Jetzt geht es also bald los. So langsam holt der Moment mich ein. Ich habe eine Entscheidung getroffen und nicht wieder verworfen und das hab ich jetzt davon.
Es musste ja auch wirklich noch was passieren mit diesem angebrochenen 2009. Vielleicht was Positives. Oder wenigstens was Neues. So ein kleiner Grad an Vorfreude (die allerdings immer mit dem Bewusstwerden meiner eigenen Inkompetenz kollidiert) ist schließlich auch mal ganz schön.
Und Abschiednehmen hat auch sein Gutes. Man fühlt sich dann irgendwie so wichtig. Die Frage "Sehen wir uns eigentlich nochmal?" kann, bei empfundener Geringschätzung der unglaublichen Wichtigkeit des eigenen Verschwindens, gerade bis dato unwissenden oder flüchtigen Bekannten ein wenig geheucheltes Interesse ins Gesicht hauchen.
Hach, Menschen kontrollieren und zu eigenen Zwecken missbrauchen. Ein tolles Hobby.
Vielleicht sollte ich immer Abschied nehmen.
Die meisten Leute sind dann netter.