Donnerstag, 27. August 2009

Osnabrück

Hallo, liebe Gemeinde!

Ich bin seit gestern Abend in Osnabrück. Eine sehr schöne Stadt, wirklich, sehr sehr schön.
Habe keine Lust so einen Abriss zu schreiben wie bein letzten Mal, bin viel zu faul und Internet-genervt.



Nur so viel: Es gibt noch ein Hagen! Ich war da. Gestern. Hagen am Teutoburger Wald (oder Hagen a.T.W. - wie der Kenner sagt). Etwas kleiner als Hagen-Hagen, aber nur unbedeutend schöner. Es setzt sich zusammen aus einer Brücke (häßlich), einem Gewerbegebiet (häßlich) und einigen Neubaugebieten (auch häßlich). Den Stadtkern hab ich mir gespart, aber immerhin hats Wiesen und Felder und Wälder. Das Schild am Ortseingang ("Hagen - Neues entdecken!") blieb mir jedenfalls sein Versprechen schuldig. Noch nicht mal der Name für den ganzen Mist war neu!

Euer Hagen-geschädigter
Rasmus

Sonntag, 23. August 2009

Emsdetten II

So, etwas verkatert vom vergangenen Abend werde ich mir nun den Rest meiner Rückschau aus den Fingern quälen.

-Tag 3, 16. August 2009

Stehe mit der Sonne auf und mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Frühstücksplatz. Vergesse, dass ich mich in Hagen befinde, und verputze schlußendlich mein allmorgendliches Käsebrot auf einem LKW-Parkplatz.

Hier spielt sich auch eine für diese Unternehmung nahezu historische Begebenheit ab: Ich verrichte mein Geschäft zum ersten Mal im Freien. Eine neuartige Erfahrung. In gemütlicher Hockposition kann man durch die eigenen Beine der Wurst beim Fallen zusehen. Sehr interessant! Die Hinterlassenschaft sieht aus, als hätte ein Hund gelernt mit Klopapier umzugehen. Freikoten, ein wahrhaft stinknormale Sache!

Sitze kurz hinter Herdecke am wunderschönen Hengsteysee und lasse die Beine ins Wasser baumeln. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, ich telefoniere nach Hause und fühle mich gut. Plane schnellstmöglichst einen Campingplatz zu finden und den Tag geruhsam zu beenden. Zunächst erstmal ein Brot mit Käse. Meine Spezialität.















Natürlich kommt alles anders. Ich erreiche unwissentlich Dortmund, als ich - dem Wanderweg des Sauerländer Gebirgsvereins folgend - den hohen Syberg besteige. Oben angekommen treffe ich Christoph. Ein spiritueller, relativ abgedrehter Naturbursche, der mich auf seiner Vespa mitnimmt zu der Wiese in Dortmund-Aplerbeck, wo sein Zuhause steht: Ein bunt angemalter Bauwagen, vor dem ich es mir für die Nacht gemütlich mache.

- Tag 4, 17. August 2009

Es ist Montag, und so fühle ich mich auch. Habe aus irgendeinem Grund die ganze Nacht mit Reiern verbracht, bin demzufolge schwach und blass und wackelig. Erstmals stelle ich die gesamte Tour infrage, vermisse, was ich zurückließ und habe ungenaue, pessimistische Vorstellungen von der Zukunft. Durchfall habe ich auch. An diesem Tag werde ich vom Freikot-Sympathisanten zum professionellen, ausübenden Freikoter.

Drei Tage hat das Hochgefühl gedauert, jetzt hab ich die Nase gestrichen voll. Ich frage mich, wie ich mir das vorgestellt habe, mehrere Monate oder gar Jahre unterwegs zu sein. Mein Selbstwertgefühl und mein Tatendrang besuchen sich gegenseitig auf dem Boden und verarschen einander. Christoph kümmert sich allerdings rührend um mich.

Überall blöde Tierchen und Viecher und anderes Kroppzeuch, ich werde wahnsinnig.

- Tag 5, 18. August 2009

Einen Tag lang war der Depressionskram ja ganz lustig, aber heute gehts mir schon wieder gut, körperlich sowieso. Verbringe den Tag mit Christoph an einem See. Er engagiert mich, die nächsten 3 Tage bei ihm auf der Baustelle für 8 Euro die Stunde zu helfen. Er baut eine Natursteinterasse in Herbede. Wenn ihr auch irgendwann mal zuviel Geld und ein Eigenheim habt, und es euch nach einer wunderhübschen Terrasse gelüstet, deren Fertigstellung euretwegen ruhig ein bißchen länger dauern kann (schließlich lässt der Bauende sich gern mal ein bißchen Zeit - um es diplomatisch auszudrücken), dann findet ihr Christophs Firma hier.
Vielleicht macht er bis dahin aber auch irgendwo etwas völlig anderes. Es stehen nämlich einige Veränderungen an in Christophs Leben. Außerdem hat er alle 10 Minuten eine neue, die weltverändernde Idee. So zum Beispiel neulich, als er mir von seiner (bisher fiktiven) Partei erzählte. Die HPD, die humanistische Partei Deutschlands, mit dem Motto "Glück und Menschlichkeit für alle". So ironisch das jetzt alles rüberkommen mag, habe ich Respekt vor Christophs Leben und Lebensweise, und welchen Stress er auf sich nimmt, um sie sich zu ermöglichen. Es erfordert mehr als nur keinen Bock auf die Gesellschaft, um einfach irgendwo auf dem Land im eigenen bunten Bauwagen ein Aussteigerleben zu führen, wenn man nicht einsam sterben möchte. Vielleicht schreib ich an anderer Stelle mal ein zusammenhängenden Text über Christoph; hier und heute reicht, dass ich froh bin, ihn kennen gelernt zu haben und mit ihm einige wunderschöne, reichlich bescheuerte Tage erlebt zu haben. Weder diese Tage noch Christoph selbst werde ich jemals vergessen.

- Tag 6, 19. August 2009
Heute beginnt die Arbeit in Herbede. Nach einigen Stunden Steineschleppens und Kiesschippens fahren Christoph und ich zum Kemnader See, wo wir zunächst schwimmen und dann unter der Brücke unser Camp aufschlagen. Neben uns grast eine Herde Schafe und über uns fliegt ein Schwarm Wildgänse in V-Formation in den Sonnenuntergang.

Die Geräusche, die eine Schafherde macht, sind das Lustigste im ganzen Kosmos. Nur ganz ganz ganz ganz wenige Schafe blöken so, wie alle Schafe in den Hörspielen und Englischlernkassetten dieser Welt so blöken.
Ich stelle mir vor, das Leben als Schafherde auf der Weide muss so sein wie das Klischee der Rockband auf Tour: Man ist die ganze Zeit beisammen, man tut was man am liebsten tut (Rockband: spielen, saufen, über Frauen und mit Kerlen sprechen; Schafherde: grasen!). Und das wichtigste: Man führt die ganze Zeit Konversation auf unterstem Niveau! Manche Schafe erzählen einen schlechten Witz nach dem andern, der Rest der Herde lacht sich kaputt. Mit Ausnahme der Schafe, die - es tut mir leid - ein bißchen schwul klingen. Die beschweren sich nämlich ständig lautstark. Wahrscheinlich machen die anderen Witze auf ihre Kosten. Schmunzelnd über die gruppenpsychologische Problematik einer Schafherde nachdenkend entschlafe ich sanft.

- Tag 7 und 8, 20. und 21. August 2009

Ich bin eine Woche unterwegs und es kommt mir vor wie vier. Ich muss dringend weiter. Ich arbeite weiter und schlafe wieder unter der Brücke und setze mich am Freitagabend mit frisch verdienten 168 Euro in den Zug Richtung Emsdetten. In Münster mache ich Station und bestaune diese wahrlich schöne Stadt. Markus, alles klar, ich habs für dich schon mal angecheckt, ich glaub hier kann man gut wohnen! Gönne mir von dem ganzen Geld ein leckeres warmes Essen beim Italiener, zuerst ein Teller Bruschetta und dann Tortellini in Gorgonzola-Spinat-Sauce. Dazu ein dekandet spießiges Glas Rotwein. Satt und zufrieden steige ich in den Zug nach Emsdetten, wo der Neighbour mich willkommen heißt und mir die nächsten beiden Tage

- Tag 8 und 9, 22. und 23. August 2009

das Gefühl gibt, sehr willkommen zu sein.

Soweit der Stand der Dinge, jetzt hab ich wirklich keine Lust mehr, außerdem kommen Terrence Hill und Bud Spencer im Fernsehen.
Morgen früh gehts wieder los, zu Fuß Richtung Osten, Richtung Berlin.

Bis zum nächsten Mal, ich liebe euch alle!

Samstag, 22. August 2009

Emsdetten

Heidewitzka, ich bin in Emsdetten! Die erste Etappe ist geschafft! Endlich bin ich aus der Region raus, in der ständig "Wuppertal" auf allen Straßenschildern steht. Was - wie man sich vorstellen kann - reichlich demotivierend ist. Nun bietet sich erstmals die Gelegenheit ins Internet zu gehen (ist gar nicht mal so spektakulär) und hier euch allen eine Rückschau auf die vergangene - ereignisreiche! - Woche zu präsentieren.

- Tag 1, 14. August 2009

Mein Rucksack wiegt 25 Kilo. Nach ungefähr 20 Metern wird auch meinem Rücken klar, was das bedeutet. Ich mache erstmal Pause auf der Hardt und komme nicht umhin, mich neuerlich für die Kohlfurt-Alternative zu begeistern. Aber Unsinn! Los gehts nach Schwelm!

Die Wuppertaler Stadtgrenze lässt viel zu lange auf sich warten. Ich verlasse das Tal zwar nicht mit wehenden Fahnen, aber immerhin mit schmerzenden Gliedern, die mich zwingen, an einem Stromkasten etwas abseits der B7 zwischen Wuppertal und Schwelm zu rasten. Bei einer zünftigen Scheibe Brot und einem leckeren Stückchen Käse, versuche ich mein Handy einzuschalten, um heraus zu finden, wieviel Uhr es ist. In meiner Gedankenversunkenheit (oder so) tippe ich meine PIN dreimal falsch ein (!!!), was einen heimwärts gerichteten Anruf nach meiner Ankunft in Schwelm erfordert. Dieser ist allerdings erst möglich, nachdem ich nach etwa 1 1/2 Stunden (ungelogen) Schwelms einzige funktionierende Telefonzelle finden konnte. Spitzenmäßiger Einstieg.

Verbringe den Abend und die Nacht bei Marc und Mara in Schwelm. Danke nochmal!

Tag 2, 15. August 2009

Nachdem ich den Vormittag mit Wandern und Jammern verbracht habe (das Gepäck ist über Nacht nicht leichter geworden), raste ich lange in der Sonne neben einigen Kühen in der Einfahrt eines CVJM-Familienzentrums im Schwelmer Umland. Ich erhalte unerwarteten Besuch von Marc und Mara, die mit dem Auto vorbeifuhren. Dann spiele ich Gitarre und entschließe mich, weiter zu gehen. Die Kühe haben übrigens kein einziges Mal atmosphärisch gemuht, sondern nur eklig gerülpst, gefurzt und geschissen. Dies sollte nicht das einzige unromantische Aufwachen ob der wahren Natur der - äh - Natur bleiben.

Nachmittags sitze ich in den Ausläufern des Gevelsberger Gewerbegebiets und kühle meine Füße in einem Bach (der Ennepe, wie ich später lerne). Zum ersten Mal holen mich die romantischen Vorstellungen vom Wandersmanndasein ein.

Am frühen Abend erreiche ich - körperlich am Ende - Hagen, das ich nach gefühlten 2 Sekunden zur neuen Nummer Eins meiner Bestenliste der häßlichsten Städte Deutschlands ausrufe. Ich suche relativ verzweifelt ein Nachtquartier und kaufe mir erstmal frustriert eine Buttermilch (von Weihenstephaner, die mit den leckeren Butterflocken!). In den schlimmsten Lebenskrisen helfen nur Molkereiprodukte, so verkommen diese Industrie auch sein mag. Erst wenn es synthetische Buttermilch gibt, werde ich vegan.

Nachdem ich anfänglich drauf und dran bin in einem 2qm-"Park" (Typ Hartz IV-Empfänger-Treff (Harry's Trinkhalle ist gleich nebenan)) zu nächtigen, schlage ich mein Zelt schließlich im winzigen Waldstück zwischen Bahnschienen und Ennepe auf. Ich verbringe eine geruhsame Nacht in dieser schrecklichen Stadt.
Mein Resümee: Hagener - flieht solange ihr könnt!


Die weiteren Tage folgen morgen, jetzt hab ich keine Lust mehr, schließlich ist heute Rock'n'Roll-Nacht im Plattendeck Emsdetten.

Bis morgen!

Mittwoch, 12. August 2009

Noch zweimal schlafen.

Jetzt geht es also bald los. So langsam holt der Moment mich ein. Ich habe eine Entscheidung getroffen und nicht wieder verworfen und das hab ich jetzt davon.
Es musste ja auch wirklich noch was passieren mit diesem angebrochenen 2009. Vielleicht was Positives. Oder wenigstens was Neues. So ein kleiner Grad an Vorfreude (die allerdings immer mit dem Bewusstwerden meiner eigenen Inkompetenz kollidiert) ist schließlich auch mal ganz schön.
Und Abschiednehmen hat auch sein Gutes. Man fühlt sich dann irgendwie so wichtig. Die Frage "Sehen wir uns eigentlich nochmal?" kann, bei empfundener Geringschätzung der unglaublichen Wichtigkeit des eigenen Verschwindens, gerade bis dato unwissenden oder flüchtigen Bekannten ein wenig geheucheltes Interesse ins Gesicht hauchen.
Hach, Menschen kontrollieren und zu eigenen Zwecken missbrauchen. Ein tolles Hobby.
Vielleicht sollte ich immer Abschied nehmen.
Die meisten Leute sind dann netter.