Montag, 21. September 2009

Berlin à trois (bzw. Halle/Saale)


Ach, es ist schon eine Krux (oder heißt es ein Krux) mit diesem Blog. Aber ich werde tapfer weiter formulieren, auf dass ihr was zu lesen habt. Aber nicht hinterher beschweren, wenn ich euch alle wegen Schmerzensgeld zur Behandlung meiner Formulierungsfraktur verklage. Dann seid ihr nämlich schuld! Ich bin aber auch faul, diesen Eintrag habe ich in Berlin begonnen und jetzt bin ich schon seit längerem in Sachsen-Anhalt unterwegs. Egal weiter im Text, zurück nach Niedersachsen!

Nichtsdestotrotz erreiche ich also Minden, schlecht gelaunt und mit schmerzenden Füßen. Nach etwa einer Stunde, die ich durch Mindens fürchterliche Wohngebiete wandere (nicht dass Mindens Wohngebiete besonders fürchterlich sind. Wohngebiete generell sind, gerade zu Fuß, ekelerregend), finde ich sowas wie das Stadtzentrum. Nach einer kleinen Stärkung begebe ich mich in den Stadtkern, wo mich laute Bigband-Musik zu einem Platz lotst, wo gerade Till Brönner mit der NDR Bigband auftritt. Ich erlebe den gesamten Auftritt als Zaungast, die Hälfte der Zeit auf einem Stromkasten stehend. Ich komme mir sehr verwegen vor.

Dann ist es zu Ende, alle gehen nach Hause und ich steh da, kurz vor Mitternacht am 30.8. in Minden und weiß nicht wohin. Ich suche einen Platz zum Schlafen, was sich in Städten sehr viel schwieriger gestaltet als in der freien Natur. Ich finde heraus: Eine Bahnhofsmission gibt es hier nicht. Die Parkbank, die ich mir als Schlafplatz aussuche, erweist sich nach einiger Zeit als ebenfalls ungeeignet. Ich bin auch gar nicht mehr müde.

Ich geh also zum Bahnhof und setze mich davor. Hier gibts immerhin was zu sehen. Ich beobachte, wie immer wieder dicke deutsche oder junge russische Männer in großen Vans die Tageszeitungen für den nahenden Morgen anliefern. Als sie weg sind, mopse ich mir FAZ, SZ und taz, zieh von meinem letzten Geld eine Tafel Voll-Nuss aus dem Süßwarenautomaten und setze mich lesend ans Gleis.

Als es irgendwann hell wird, mache ich mich wieder auf den Weg. Werde nun doch müde. Versuche mich mit lustigen Dingen, die auf Schildern stehen, abzulenken. Klappt nicht so richtig. In jeder Bushaltestelle schlafe ich für 10 Minuten, bis ich irgendwann im Gehölz am Straßenrand einschlafe.

Als ich erwache, bin ich nicht ausgeruht. Müde, außerdem tut mir mein Körper an verschiedenen Stellen weh. Hinzu kommt, dass das "Abenteuer Obdachlosigkeit" nicht nur nicht angenehm sondern meiner Meinung nach auch ziemlich unverantwortlich ist. Wie komme ich, Abiturient, Akademikerkind, dazu, mir anzumaßen, nachts auf Barkbänken und vor Bahnhofshallen herumzulungern wie ein Ausgestoßener und dann auch noch Selbstmitleid zu haben? Ekelhaft eigentlich. Ich treffe die Abmachung mit mir selbst, nur noch in der Natur zu übernachten, oder wenigstens in etwas, das so aussieht, wenn ich kein Dach über den Kopf bekommen kann. Ich möchte kein Bedürftiger sein.

In dieser Stimmung entscheide ich kurzfristig, nach Hannover zu trampen. Ich laufe noch bis Bückeburg, wo ich mich an die Auffahrt zur Autobahn. Kein 1 1/2 Stunden stehe ich in Hannover an der Uni und erforsche die Stadt.

Bald gehts weiter mit einer lustigen Verbindungsfeierei und der Überquerung der ehemals deutsch-deutschen Grenze (die einzige Wildnis unseres Landes)


Stay tuned, liebe Freunde!

Freitag, 18. September 2009

Berlin die Zweite

Ok, ok, ich gebs zu, die Sache mit den Hochlandrindern war ein bißchen übertrieben, ich wollte ja, dass ihr dabei bleibt. Es war nur eins und gekämpft haben wir auch nicht, ich wollte, aber das Rind stand desinteressiert auf der Weide und käute wieder. Ist wahrscheinlich auch erfüllender als sich mit unrasierten Exil-Städtern zu kloppen.

Wo wären wir? Osnabrück, immer noch. Bevor ich zur zweiten Nacht komme, muss ich zunächst eine Begegnung nachtragen. Der erste Osnabrücker, den ich treffe, ist ein versoffener Obdachloser. Das sind sowieso eigentlich immer die ersten, die man trifft, respektive mit denen man sich (gewollt oder ungewollt) unterhält. Sie sitzen einsam auf Bänken, trinken Billig-Bier und rauchen Selbstgedrehte ohne Filter. Freundlich sind sie eigentlich immer, seltsam auch. Mein Osnabrücker "Freund"hieß - glaube ich - Siggi und arbeitet einst als Alleinunterhalter mit seinem Schifferklavier. Heute macht er Straßenmusik mit der Mundharmonika. Beneidenswert gut übrigens. Er lebt auf der Straße, ohne Geld, sogar sein Schifferklavier haben sie ihm abgenommen. Und warum? Wegen Howard Carpendale und den Flippers. Für die habe er nämlich Songs geschrieben, damals, und sie hätten ihn bestohlen. Klingt so bescheuert, dass ichs fast glaube. Oder ich hab den armen Kerl falsch verstanden, genuschelt hat er nämlich auch ganz schön.

Die zweite Nacht in Osnabrück verbringe ich in einem Backpacker-Hostel, von dessen Besuch ich jedem in aller Form abraten möchte. Sauber und freundlich ist es, sicherlich. Aber leider überteuert. Und ich muss noch 3 Euro extra für Bettwäsche bezahlen, weil der Schlafsack angeblich die Matratze zerstöre. Aha, aha. Halte ich für Quatsch. Vor allem dann, wenn die Matratze so aussieht, als könne da nicht mehr viel zerstört werden. Ein Stück Schaumstoff, umgeben von löchrigem Leinen. Das sollen Schlafsäcke gewesen sein? Ich weiß nicht. Also: Die Moral von dem Bericht: In Osnabrück lohnts Hostel nicht!

Ei ei ei, das mit dem Reimen lass ich lieber.

Am Freitag, den 28. August 2009 verlasse ich Osnabrück. Es regnet in Strömen. Richard, ein freundlicher Ergotherapie-Azubi liest mich kurz hinter Belm auf und fährt mich ein paar Kilometer weiter, bis etwas hinter Ostercappeln. Es hört auf zu regnen und ich laufe etwa 3 Stunden lang im Kreis. Auf diese schmachvolle Erfahrung möchte ich hier nicht weiter eingehen. Ich verbringe die Nacht im Wald hinter Hitzhausen.

Mittags werde ich Opfer meiner Gelüste und erstehe von meinem letzten Geld im Edeka in Ostorf eine ungesunde Zwischenmahlzeit bestehend aus Buttermilch, Schokopudding und einem kinder-Country. Das ganze war kostete lediglich 75 cent, war qualitativ aber auch echt das letzte. Bis auf den kinder-Country, der war top.

Nach Wanderung durch Preußisch-Oldendorf und Lübbecke suche ich nach möglichen Schlafplätzen, bis ich schließlich in Nettelstedt fündig werde: Eine offensichtlich nicht fertig gebaute, nun als Schrottabladeplatz dienende, Garage weißt als Inventar unter anderem ein altes, von Motten zerfressendes, nahezu gemütlich wirkendes Sofa auf. Ich mache es mir bequem und versuche zu schlafen. Doch alles sollte ganz anders kommen...

(dramatische Musik!)

Denn bei der Begehung meiner Schlafstätte werde ich beobachtet und errege Mitleid. So kommt es, dass die "treetops" (die sich hier auch bereits als Leser eingefunden haben, hallo!) mir nicht nur eine Nacht auf einer Matratze in richtiger Bettwäsche ermöglichen, sondern ich auch noch einen unheimlich gemütlichen Abend bei Rotwein, Geschichten und Gelächter verbringen darf. Am nächsten Tag bekomme ich außer einem üppigen Sonntagsfrühstück (inklusive "Guten Morgen"-Schnitzerei in der Butter) auch noch Tipps zur Routenplanung in der Region. Also nochmal, vielen Dank für alles, es war super!

Die Routenplanung nehme ich natürlich dankbar an und latsche durchs Moor zum Mittellandkanal. Diesem folge ich, bis ich, wehen Fußes, Minden erreiche.

So, und hier mache ich einen Schnitt, es ist halb eins und in Berlin scheint die Sonne, ich habe einiges vor: Die Bauhaus-Ausstellung, Friedrichshain, außerdem wollte ich Postkarten kaufen. Jaja, es ist ein hartes Leben, liebe Leute. Nie kommt man zur Ruhe!


Servus!

Mittwoch, 16. September 2009

Berlin

Jaha, es ist wahr, ich lebe noch und kann sogar noch formulieren. Nach den ... äh... fünf Tagen in Berlin, schaffe ich es nun, mal ins Internet zu gehen und an diesem Blog weiterzuschreiben. Und wenn ich hier so runterscrolle, sehe ich, dass da einiges hinzuschreiben ist. Na, das kann ja heiter werden.

Ääh, wo war ich denn stehen geblieben? Aha, Osnabrück, beziehunsweise das sagenumwobene Hagen a.T.W. Es gibt sogar noch ein Hagen, Nähe Braunschweig. Es heißt allerdings Stadthagen und ich habs mir gespart.

Aber ich fange lieber vorne an. Von Emsdetten wandere ich also los am elften Tag dieser Reise und komme nicht besonders weit. Bis Saerbeck, der - euphemistisch gesprochen - Nachbargemeinde, also dem nächstgelegenen Klecks Bauten, wo ich im Wald campierte. Am nächsten Tag ging es durch Dörenthen und Tecklenburg. Bei einem Krug Cola in einem völlig leeren Landgasthof irgendwo hinter Tecklenburg (die Ortsbeschreibung erklärt die Frequentierung, wie ich finde) höre ich beiläufig den Wetterbericht. Ich freue mich darüber und erschrecke vor mir selbst. Ich als überzeugter Wetterberichtenutzlosfinder ("Wer wissen will, wie das Wetter ist, möge aus dem Fenster gucken. Wer wissen will, wie das Wetter morgen ist, der möge morgen aus dem Fenster gucken" -Max Goldt) höre, dass es morgen nicht regnen soll, und freue mich!

Zurecht, wie ich am nächsten Tag (Mittwoch, der 26.8.2009 - um das mal alles wieder in ein genormtes Bezugssystem einzuordnen) feststelle. Habe die Nacht in Lengerich (ein äußerst nettes Städtchen in Bielefelder Dunstkreis) in einem gutbürgerlichen deutschen "Hotel" verbracht, sogar mit Pilgerrabbat, den mir die zahnlose Alte, der das Etablissement gehörte, trotz fehlenden Pilgerausweises gewährte. +++ Wenn meine Sätze zu verschachtelt werden, bitte ich um Hinweise, da ich gerade gequält versuche, eine Tagebuchseite pro Satz zu verpacken. Danke +++ Jedenfalls habe ich dann am nächsten Morgen, nach ausgiebiger Dusche, ein leckeres Frühstück genossen. So gestärkt schulterte ich mein Säckel, marschierte in den Wald, setzte mich auf eine Bank am Maisfeld ("Heimatverein Lengerich wünscht Frohe Rast!") und verbrachte den Spätsommervor- und mittag mit der Lektüres von Herrmann Hesses "Demian", den ich am Abend vorher für einen Euro erstanden habe. +++ Wirklich, diese Schachtelsätze würden mich fertig machen. Zum Glück muss ich das ganze Gesummse ja nicht lesen. +++ Ein äußerst kluges Buch. Ich ließ es auf der Bank liegen. Ein Buch wiegt und stört. Neue Erinnerungen hingegen machen den Kopf leichter, nicht schwerer. Oh, diesen Satz sollte ich vielleicht in meine "Sätze, die ich als Oppa später mal zu passenden und unpassenden Gelegenheiten zum Besten geben will"-Kartei schreiben. Bisher steht da schon drin: "Was schwer wiegt, ist meistens schwer" (bezog sich aufs Gepäck, kann aber vielfältig ausgelegt werden!), "Erzähl mir nix, ich war in Niedersachsen!" und - damit es hier auch sowas wie einen roten Faden gibt - "Erst nach einem zünftigen Morgenschiß ist man so richtig wach!" Naja, ist wohl eher ein brauner Faden. So jetzt reichts. Das ist nur für später, damit ich mein Buch über diesen ganzen Käse so ein bißchen als "männliche Survival-Variante von 'Feuchtgebiete'" verkaufen kann. Leute, was denkt ihr denn? Alles Kalkül, alles! Immer ökonomisch denken!

Aber ich schweife ab.

Und zwar schweife ich von Lengerich nach Leeden nach - tadah! - Hagen am Teutoburger Wald (kein weiteres Wort!) nach Georgsmarienhütte nach Osnabrück, wo ich nach einem netten Abend in der SonderBar (pfiffiger Name, oder?) beim netten Studenten Andreas eine Nachtstatt fand.

Und was ich dann erlebte, wem ich noch so begegnete, und ob ich den Kampf gegen die wildgewordenen schottischen Hochlandrinder für mich entscheiden konnte, gibts in der nächsten Folge. Heute habe ich keine Lust mehr.


Wiederschaun!