Donnerstag, 15. Oktober 2009

Unterwegs nach Leipzig

Also, wer das Prinzip noch nicht verstanden hat: Die Überschrift eines Eintrages hat nichts mit dem Eintrag selbst zu tun, sondern lediglich mit dem Ort des Geschehens. Im folgenden Text geht es also weder um Halle noch um Leipzig. "Unterwegs" passt, aber das war es dann auch schon.

Wir schreiben also Samstag, den 5. September 2009. Ich erreiche Lehndorf, Braunschweigs ersten Vorort gegen 12:15 Uhr. Irre weiter durch Bezirke Braunschweigs und konstatiere: "Wenn sich hier nicht irgendwo noch eine Altstadt verbirgt, ist Braunschweig abgrundtief hässlich" Es gibt aber eine Altstadt, in der ich am Nachmittag Gregor Gysi bei einer Wahlkampfveranstaltung höre. Hier lerne ich auch Daniel, einen Skinhead aus Königslutter und Becks, einen Braunschweiger Punker kennen. Gemeinsam mit Becks erforsche ich also Braunschweig bei Nacht, wir gehen zum Abschiedskonzert der "Tanzenden Kadaver" und trinken Bier. Ich darf auf dem Bauwagenplatz, auf dem auch Becks wohnt, im Gästewagen übernachten.

Hier bleibe ich zwei Nächte (durgehend fürchterliches Wetter!), um am 7. September, einem Montag, wieder aufzubrechen. Um kurz nach 10, kurz hinter Braunschweig, raste ich ein erstes Mal und verspeise ein mäßig leckeres Laugenbrötchen. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau, ich schwitze wie bekloppt. Endlich erreiche ich einen schattigen Wald.

Nach einiger Zeit des Wanderns habe ich ordentlich schlechte Laune, da ich gezwungenermaßen nach Norden marschiert bin. Das Gepäck nervt, ich habe Hunger und nichts zu essen, Schmacht, und keine Zigaretten. Fürchterlich. Ich sitze an der Autobahnausfahrt Scheppau und habe keine Lust mehr. Die Sonne knallt als gäbs kein Morgen mehr.

Irgendwann komme ich in Bornum an und raste auf dem Friedhof. Die Friedhöfe sind meine liebste Heimat. Ruhe, frisches Wasser, die Verbindung zwischen Natur und Gesellschaft und das gleichzeitige Eintauchen in die vielleicht persönlichste Geschichte des Ortes. Dies scheint eine junge Gemeinde zu sein. In Bornum ist noch viel Platz zum Sterben.

Nach einem Gewaltmarsch erreiche ich Königslutter am Elm, wo ich hoffe, den gestern kennen gelernten (grammatikalische Abgründe tun sich auf - mir solls recht sein) Daniel erreichen zu können. Tja, Fehlanzeige.
Der Mond ist aufgegangen und klebt dick und golden über Königslutter, der Stadt, die mich enttäuscht hat. Kein Daniel, keine Bahnhofsmission (zumindest nicht am Bahnhof), keine Bleibe. So liege ich denn matt, mit schmerzenden Gliedern und Füßen auf einer kleinen Grünfläche nebenden öffentlichen Toiletten am Bahnhof... Vielleicht hätte ich gern einen Hund.
Später schlafe ich im Park hinter einer katholischen Kirche.

Der nächste Tag ist Tag 26 meiner Reise, ein Dienstag. Ich habe vor, heute die deutsch-deutsche Grenze zu erreichen, beziehungsweise, rein in die DDR. Schnell erreiche ich Helmstedt, nachdem mich ein freundlicher, autoteileausliefernder Rentner aufsammelte und ein Stück mitnahm. Nun sitz ich unter einem Baum, freue mich auf mein ungesundes Frühstück (Cola light und Schokolade von LIDL) und fertige eine nutzlose Liste mit Pro- und Kontra-Argumenten zu Ausbildung und Studium an. Ergebnis: Unentschieden. Na toll.

Gehe von Helmstedt nach Bad Helmstedt, von wo aus ich wiederum einem designierten Wanderweg folge und an einer total verfallenen Hütte ankomme. Es hängen noch alte Plakate dran. "Was tun, wenn der Wald brennt" und "Folgen des Waldsterbens"
Waldsterben. Auch so ein Begriff, der sich überdauert hat. Kann mir schwer vorstellen, dass das Problem nicht mehr existiert. Bloß das Interesse.

Nach mehr und mehr ziellosem Herumirren im Wald stoße ich auf eine Schnellstraße, exakt an der Grenze vom Landkreis Helmstedt zum Landkreis Börde. Bin ich in die DDR gekommen, ohne es zu merken? Das wäre eine schöne Symbolik für ein wieder vereinigtes Land...
Ich dreh mich nach links und sehe einen verfallenen Grenzturm. Hehe. Das wars dann wohl, obwohl dem Turm auch eine gewisse Symbolkraft inne wohnt. Er ist total kaputt, alle Fenster sind zerschlagen. Ich mache Fotos und Pause.



So. Pause auch hier. Jetzt bin ich schon fast up to date. Bis dahin.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen